Kommentar zu Staatsanwalt Vogts Zahlenspielen

Die sueddeutsche.de hat mich interviewed.

Im selben Artikel kommt noch der Hallenser Oberstaatsanwalt Peter Vogt zu Wort

Das Datenvolumen, um das es bei den Kinderpornos im Internet geht, ist enorm: Allein in Sachsen-Anhalt warten 41 Terabyte mit 364.000.000 Bildern auf eine Auswertung.

Eigentlich ist es überhaupt eine Frechheit, dass diese Leute mit Ihrer Armut Presse machen können. Dass die überhaupt soviele unausgewertete Rechner mit Daten da stehen haben. Die stehen dort teilweise über 2 Jahre! Und naja was sind 41 Terabyte heute? So circa 80 Rechner, oder?

Sie wissen gar nicht, was da d’rauf ist. Sie vermuten nur!

Das muss man sich mal vorstellen, die argumentieren mit Verdachtsfällen! Man braucht also nur genug Verdachtsfälle. Oh ja .. Operation Himmel hatte ja alleine 12.000 davon.

Deswegen auch die Zahl mit den 364.000.000 Bildern. Die haben einfach das Gesamtvolumen der Medien, die sie beschlagnahmt haben (eine DVD ist immerhin
bis 7,95 GigaByte groß) durch eine geschätzte Größe von ca. 120kByte pro Bild dividiert.

So kommt Herr Vogt auf seine Zahlen. Er dokumentiert die Armut der ermittelnden Behörden und kann damit gegenüber der Presse für die Einführung dieser Internetsperren argumentieren.

Schätzungen zufolge gibt es bis zu 450.000 Seiten mit kinderpornografischem Inhalt in Deutschland, die täglich angeklickt werden. In nur zehn Tagen habe eine Seite mit Kinderpornos mehr als 49.000 Klicks gemacht, erzählt Vogt.

Wieder diese 450.000, dazu habe ich hier etwas mehr geschrieben.

Ganz seltsam ist folgende Aussage:

In nur zehn Tagen habe eine Seite mit Kinderpornos mehr als 49.000 Klicks gemacht, erzählt Vogt.

Ersten: diese Seiten machen keine Klicks, Nutzer Klicken, die Seite haben Besucher. Und Zweitens: was wird da gezählt? Die Anzahl der Besucher, Page Impressions, oder jede einzelne Anfrage?  Wenn jede einzelne Anfrage gezählt wird, dann nur für Webseiten oder auch jedes einzelne Bild auf der Seite als eigene Anfrage? – Manche Seiten haben ja hunderte Bilder auf Ihrer Startseite.

Ihm gehen die Sperren deshalb nicht weit genug: „Die User werden darauf hingewiesen, dass das Herunterladen kinderpornografischer Bilder illegal ist“, erklärt Vogt. „Muss dann der Provider nicht solche Straftaten auch melden?“ Doch dagegen wehren sich die Internetanbieter bislang.

Die Provider können sowas gar nicht melden, dazu müssten sie den Verkehr der Nutzer überwachen, und das ist zum Glück noch strafbar. Mit den Sperr-Servern (Stop-Seiten) wird sich das ändern. Die Provider werden dann sehen, welche Inhalte nachgefragt werden, wer die Nutzer sind und welche Seiten sie vorher besucht haben (den sogenannten Referer). Diese Seiten werden dann wahrscheinlich, wie in Norwegen auch, irgendwann zu Sperrkandidaten. So wie auch diese Seite .. schliesslich verlinken wir auf wikileaks und die Analyse einer Sperrliste .

Am Ende brauchen wir auch eine ehrliche Diskussion darüber, dass der Zweck eben nicht jedes Mittel heiligt .. nicht, wenn man deswegen „The Great Wall of Germany“ aufbauen muss! Denn das ist die letzte Konsequenz aus der Eskalation von Sperren fortentwickeln <-> Sperren umgehen, das Stichwort lautet hier nämlich: Koevolution.

Wollen wir dahin?

Christian; MissbrauchsOpfer gegen Internetsperren

7 Antworten zu “Kommentar zu Staatsanwalt Vogts Zahlenspielen

  1. Die Frage ist noch, wie diese „Klicks“ überhaupt gemessen werden. Sniffen an der Netzwerkkarte des Servers? Dann hat man ja bereits genug Daten, um ihn abschalten zu lassen, und müßte gar nicht schnüffeln. Ansonsten ist da nur über die Logs ranzukommen, das geht wiederum erst, wenn der Server bereits beschlagnahmt wurde — es sei denn, man hat einen Honigtopf aufgestellt. Solche Zahlen sind also mehr als fraglich.
    Gruß, Frosch

    • Ich nehme mal die, die lesen die Server-Logdateien.

      Entweder nachdem sie den Server hochgenommen haben. (Wenn die denn überhaupt eines geschrieben haben, denn wer wird denn schon seine eigene Kundschaft an’s Messer liefern?)

      Oder sie lassen den Rechner noch ein bischen weiterlaufen, so wie es die Aussage des Hallenser Staatanwalts Peter Vogt suggeriert.

      viele Grüße
      Christian

  2. Ich vermisse hier noch Links zu Tagesspiegel bzw. Zeit.

    Aber zum Thema: Natürlich sind die Zahlen Fake. Es geht der Staatsanwaltschaft allem Anschein nach nur darum, möglichst viele Verdächtige zu haben. Die Anzahl der Verurteilungen interessieren doch nach Jahren niemanden mehr. Damit entstehen dann solche Blüten wie Himmel, Mikado, und wie die ganzen Aktionen alle heißen mögen. Konsequent wäre ja, wenn einfach alle 82 Mio. Bundesbürger (mit Ausnahme der Zensursula) verdächtigt würden. Aber weit sind wir davon auch nicht mehr entfernt.

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  5. Caroline Kaiser

    Das BKA tut mir in keinster Weise leid, weil es etwa diese Zahlen für die Politik zurechtbiegen müßte, sondern das BKA ist die treibende Kraft, die dieses Thema forciert, damit die Widerstände gegen die geforderte Kompetenzerweiterung gebrochen werden. Wer möchte schon den Kampf gegen KP kritisieren ?

    Wer dies kritisiert, der ist wohl selbst schon irgendwie verdächtig. Diese Strategie wird jetzt seit einigen Jahren gefahren, dafür scheint jedes Mittel recht zu sein.

    Leider demontiert das BKA sich damit selbst, denn es war auch eine treibende Kraft bei schärferen § gegen KP 1993, die ich rückwirkend begrüße.

    Der Paradigmenwechsel ist übrigens recht einfach zu datieren, wer die öffentlich zugänglichen Berichte des BKA zum Thema KP, sowie die PKS ( Polizeiliche Kriminalstatistik ) bis etwa 2001 liest, die ja auch einen wissenschaftlichen Anhang hat, der wird ein Bemühen um eine sachliche Darstellungweise feststellen können, sowie auch Kritik an der nordamerikanischen „Childporn“ Definition (<18 Jahre, Bilder müssen nicht pornographisch sein, um den Straftatbestand der KP zu erfüllen), die erklärt, weshalb die Fallzahlen dort so astronomisch hoch sind. So etwa ab der Jahrtausendwende, verstärkt nach dem 11.Sept., sowie nach darauf erneut verschärften Richtlinien der Cyber Crime Convention, ein weltweites Abkommen gegen Computerkriminalität unter Federführung der USA, werden auf einmal uralte Gutachten und Studien aus den USA wieder zitiert, die schon längst als „substanzlos“, „grotesk übersteigert“ und „unwissenschaftlich“ vor US Gerichten verworfen worden sind. Die dortigen Zahlen werden einfach auf Europa hochgerechnet, was vollkommen unseriös ist.

    Auf einen anderen Punkt, den ich vorher nie bedacht hatte, weißt Dr.Korinna Kuhnen in ihrem interessanten Buch: „Kinderpornographie und Internet“ hin. Es gibt eigentlich, durch die Digitalisierung und leichte Vervielfältigung, keine objektiv richtige Zählmöglichkeit mehr.

    Während man früher z.B. einen KP Film auf Super8 fand, der als ein Film gezählt wurde, hat jetzt vielleicht jemand eine Videodatei auf seinem Rechner, die z.B. in 4 Teile gesplittet ist. Die werden dann als 4 Einheiten gezählt. Aufgefundene Bilddateien setzten sich oft aus Material von KP Filmen der 70er/80er Jahre zusammen. Wer jetzt jedes Bild einzeln zählt, der kommt natürlich auf astronomische Zahlen.

    Früher hat man aber noch versucht hier Zusammenhänge herzustellen, wenn diese Dateien direkt nebeneinander abgelegt waren, also bei einer Bilderserie aus dem Film XY, diesen als einen KP zu werten.

    Weiteres steht nicht im Buch, aber es ist meine persönliche Schlußfolgerung, daß dafür heute die Zeit fehlt, außerdem höhere Zahlen auch die Staatsanwälte mehr beeindrucken.

    Die meisten dieser Zahlen, die erstaunlich schnell nach einer Hausdurchsuchung an die Presse gegeben werden, obwohl die Auswertung oft Jahre (!) dauert, sind schlichte Hochrechnungen, man könnte auch bösartigerweise sagen: Fantasiezahlen.

    Sicher kann man sich darüber streiten, wie dies objektiv gezählt werden sollte. Ob jetzt jemand 15 000 oder 150 000 KPs auf seinem PC hat, kann kaum noch irgendwie strafmildernd oder strafverschärfend gewertet werden. Trotzdem darf man bei der Bevölkerung nicht den Eindruck erwecken, hier gäbe es jetzt eine Explosion der Fallzahlen. Die gab es 95-97 durch das Internet. Jetzt gibt es sie durch eine neue Zählweise, sowie durch eine ständige Ausweitung der Definition von KP/JP.

    Die Auswertung der PCs wird dazu immer häufiger an Fremdfirmen vergeben. Dabei gab es nicht nur katastrophale Fehleinschätzungen, sondern es entsteht auch ein bedenklicher Interessenkonflikt. Wenn die große Firma XY die PCs vom Verdächtigen Z auswertet, der vielleicht auch mal Kunde bei der Firma war, oder sogar immer noch ist, was dann ?
    Ist gesichert, daß die Fremdauswerter kein Material kopieren ? Dies muß Polizeiarbeit bleiben. Leider hört man von den Polizeigewerkschaften da kaum etwas.

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